Glanz & Kante

Schmuck und seine Codes

In unseren ersten Episode mit Cornelie Holzach, Leiterin des Schmuckmuseums Pforzheim, sprechen wir über den Zeichengehalt von Schmuck, wie sich ihm angenähert werden kann und wie das, was als Schmuck am Körper getragen wird, nicht nur an diesem, sondern auch in diesem getragen wird. Es geht um Schmuck als politische Aussage, um Entwicklungen in der Schmuckszene und über die Korrespondenzen, die Schmuckstücke aus unterschiedlichen globalen Regionen und historischen Zeiten zueinander führen.

Foto: Winfried Reinhardt

LINKS zur Episode

Schmuckmuseum Pforzheim

Ausstellung _ Was ist Schmuck?

DANKE

Musik: Mine Pleasure Bouvar Wenzel | @mine_pleasure_bouvar

Dieser Podcast wird unterstützt von dem Fachbereich Metallgestaltung der HAWK, der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim, Holzminden, Göttingen sowie dem AStA der HAWK. Vielen Dank dafür!

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Transkription

A.S. Ruth Schneider: Hallo und Herzlich Willkommen zu unserer ersten Episode von GLANZ & KANTE. Hier spricht Anne Sophie Ruth Schneider heute mit Cornelie Holz-ach im Gespräch. Danke, dass Sie heute hier sind.

00:00:35

Cornelie Holzach: Ich grüße Sie auch sehr herzlich und freue mich auf unser Gespräch.

00:00:49

A.S. Ruth Schneider: Wir möchten Sie kurz unseren Hörer*innen vorstellen. Sie sind gelernte Goldschmiedin und studierten Schmuckdesign in Pforzheim und Kunstgeschichte in Karlsruhe. Heute leiten Sie, seit 2005, das Schmuckmuseum Pforzheim. Das Schmuckmuseum Pforzheim hat eine Schmucksammlung die fünf Jahrtausende Schmuck fasst. Dabei wollen wir heute weniger über das Sammeln und Ausstellen von Schmuck sprechen, als vielmehr über Schmuck als Phänomen und seine Codes. Wir wollen darüber sprechen, dass Schmuck mehr sein kann als ein glitzerndes Objekt auch wenn er oftmals als solches erscheint. Dabei interessiert uns vor allem, warum er sich häufig codiert zeigt.

Cornelie Holzach, Sie beschäftigen sich nun schon seit vielen Jahren mit Schmuck und hatten sicherlich bereits viele Schmuckstücke in den Händen, als auch in der Fertigung. Können Sie uns ein Einblick geben wie Schmuck, aus ihrer Perspektive, er-scheint und warum er repräsentativ, im Sinne von markierend und identitätsstiftend für Personengruppen wie auch Individuen fungiert?

00:00:53

Cornelie Holzach: Das kann ich gerne versuchen Ihnen zunächst einmal mein Bild zu beschreiben bzw. darüber zu reden was es auch sein könnte. Es geht glaube ich schon ganz am Anfang darum, dass man sich dafür interessieren muss, für Schmuck. Wer sozusagen keinen Blick dafür hat und kein Interesse daran hat, und damit meine ich jetzt nicht das einzelne kleine Schmuckstückchen das ich anhabe, sondern diese ganze Inszenierung, die auch dazu gehört. Wer dafür also nicht offen ist und sich nicht auch nur ein bisschen dafür interessiert, wird es damit schwer haben, damit umzugehen, was Schmuck sein könnte und was es ist und wie wir es anschauen wollen. Für uns hier im Museum ist es natürlich immer eine Selbstverständlichkeit damit umzugehen. Anfangs, als ich anfing zu lernen und zu studieren, war es für mich gar nicht so wahnsinnig wichtig. Erst in den darauffolgenden Jahren und in der Beschäftigung damit und mit der Arbeit im Museum mit diesen Stücken, führte es zu einer,Begeisterung ist etwas vage gesagt, so ein bisschen enthusiasimiert. Das ist es aber nicht, denn sie können den Schmuckstücken, jetzt gehe ich nur von den kleinen Objekten aus, wirklich eine ganze Weltgeschichte anschauen. Wenn Sie an die Formen denken, wenn Sie an die Technik denken, wenn die Techniken Entwicklungen machen, die Sie an den Schmuckstücken sehen können, wo Sie eine Industriegeschichte ablesen können an einzelnen Stücken. Das herauszufinden - und eben über dieses sehr kleine Objekt, das manchmal so klein ist, dass man es kaum wahrnehmen würde, hat nur für denjenigen, der es an hat, eine Bedeutung und ist sichtbar. Für andere ist es belanglos und nicht bemerkbar an vielen Stellen. Damit meine ich jetzt nicht das verdeckte Schmuckstück, sondern schon auch das offen getragene. Da merkt man ja schon wie viele Facetten Schmuck haben kann. Mehr Facetten als ein Kleidungsstück haben kann in vielen Dingen.

Manches, was Sie jetzt gerade auch angesprochen haben trifft natürlich auch auf Kleidung und die Art wie ein Mensch sich kleidet zu. Welche Haltung er einnimmt, welche Frisur er trägt, was für Bewegungen er hat, was für eine Mimik er hat. Das spielt ja alles zusammen. Zu einem Gesamtbild dieser Person, die sich zeigt oder auch nicht zeigen möchte. Das gibt es ja auch, dass man sich tarnt mit bestimmter Kleidung. Und ich meine jetzt nicht die Soldaten, die sich tarnen. Sondern das man sich als etwas vor-stellt, was man tatsächlich vielleicht gar nicht ist und den Schmuck dazu nimmt. Also wir müssen glaube ich darüber reden, das Schmuck einmal das kleine Objekt ist, das ich betrachte, das ich in die Hand nehme, das ich wie ein Bild und wie einen Gegenstand betrachte. Und der andere Weg des Schmucks ist der, der dann im Zusammen-hang mit der Person, mit dem Körper bzw. mit der Gestalt des Menschen wirkt. Und diese beiden Ebenen müssen wir glaube ich anschauen.

00:02:09

A.S. Ruth Schneider: Ja, das ist ja total spannend, Sie haben ja eben gerade schon so eine bestimmte historische Komponente aufgemacht. Und dann eben die Richtung aufgemacht, wie Schmuck eben dialogisch mit Körpern funktioniert. Wir gehen davon aus, das da auch bestimmte Materialien, Formen und Zuschreibung eine ganz wesentliche Rolle spielen. Und haben uns so ein bisschen gefragt, geht Schmuck auch in so eine Richtung von: Wir können mit Schmuck eine Gruppenzugehörigkeit veräußern aber gleichzeitig auch unsere individuellen Standpunkte repräsentieren. Wenn ja wie funktioniert das und kann ich das als außenstehende Person tatsächlich lesen oder eher nur erahnen?

00:05:21

Cornelie Holzach: Ja, das ist wiederum ein sehr spannendes und ein sehr vielschichtiges Thema. Also es geht ja nicht nur darum, dass ich eine Gruppenzugehörigkeit anzeige, indem ich bestimmten Schmuck trage oder aber mich individuell absetzen möchte von einer bestimmten Gruppe. Sondern da gibt es ja eine ganze Menge Ebenen dazwischen. Natürlich hat Schmuck etwas Zeichenhaftes. Das fängt schon ganz klassisch beim Orden an. Da weiß ich schon genau, wenn ich einen Orden trage, zum Beispiel ein Bundesverdienstkreuz am Bande oder nicht am Bande oder den kleinen Rotary Knopf. Der ist winzig, aber jeder der ihn kennt weiß was er bedeutet. Deshalb tragen die Träger, muss man ja sagen, in den meisten Fällen Träger, dieses kleine Schmuckstück. Aber es gibt natürlich auch Codes die jetzt nicht so strukturiert sind wie eben diese Abzeichen. Ein klassisches Bild, das kennt sicherlich jeder und kannte jeder: In den 50er Jahren als es die Zuchtperlen gab, kommt die Joker, die Perlenkette dazu. Und jede Dame die sich für eine Dame hielt oder eine sein wollte oder vielleicht auch sicherlich eine war, trug eine Perlenkette und einen Nerzmantel. Zack. Das war sozusagen die Ausstattung des gehobenes Mittelstandes. Man hat es zu etwas gebracht. Der Mann kann seiner Frau dieses Schmuckstück kaufen. Und die Perlenkette ist ja unabhängig davon, dass es ein Statussymbol wurde und war auch ein schönes Schmuckstück. Es fühlt sich wahnsinnig toll an, wenn man sie auf der Haut trägt. Sie nehmen die Temperatur der Haut an, sie sind geschmeidig und weich und sie fühlen sich einfach gut an. Das ist das eine. Und das andere ist dieses Zeichenhafte was ich damit habe. Das ich mich A einer bestimmten gehobenen Mittelschicht zugehörig fühle. Das übrigens im ganzen westlichen Europa so funktioniert hat. Das ist also nicht nur auf Deutschland beschränkt. Österreich, Frankreich, Italien hatte das ähnlich. Italien hatte noch ein bisschen mehr Goldketten dazu gehabt. Aber da gehörte das auch dazu. Es gibt natürlich dann auch den Wandel der Codes, die sich verändern. Und wenn Sie politisch aufmerksam sind, dann sehen Sie zum Beispiel bei den AfD Vertreter*innen, die tragen alle Perlenketten, um eben dieses klassische Familienbild der 50er Jahre weiterzutragen. Das ist keine zufällige Wahl dieser Damen. Sondern eine ganz bewusste Wahl, diese rückwärtsgewandte, in dem Fall wirklich rückwärtsgewandte, wieder zu verwenden. Da hat diese Perlenkette gewissermaßen auch ihre Unschuld verloren. Es sei denn, man ist in diesen sehr rechts gerichteten Zirkeln unterwegs. Dann ist es ein wichtiges Zeichen. Aber heute können Sie eigentlich nicht mehr mit einem ruhigen Gewissen in einem bestimmten Alter eine Perlenkette, eine klassische Perlenkette, anziehen ohne etwas seltsam angeschaut zu werden. Wohin gehört man denn jetzt politisch? Also da wandelt sich auch so ein Code, der nicht nur für manche, sondern für viele lesbar ist. Und natürlich gibt es auch für Schmuck Codes. Gerade das was man eben auch möchte, diese Gruppenzuordnung zu einer Gruppe, die aber für Außenstehende nicht als solche identifizierbar ist. Das scheint ein großer Wunsch oder ein Bedürfnis zu sein öffentlich ein Geheimnis zu tragen. Das eben bestimmte Leute lesen könne, die dazu gehören und die anderen die es nicht lesen können, denen ist es eben wurscht. Die brauchen es auch nicht lesen, weil sie eben nicht dazu gehören. Die sehen das zwar und es gibt wahrscheinlich auch für den Träger oder die Trägerin natürlich auch so ein Erfolgsmoment zu sagen, da guckt mir jemand mein „Abzeichen“, ich nenne es jetzt „Abzeichen“ in Anführungszeichen an, der es vernimmt als Schmuck. Aber eigentlich bedeutet es ja was völlig anderes, dass derjenige, dieser „Dummkopf“ in Anführungszeichen, gar nicht versteht. Und das ist sicherlich auch eine Geschichte, die damit bedient werden kann. Also diese Feinabstufungen zu erkennen, was lasse ich zu, zu Erkennen, was lasse ich nicht zu, zu Erkennen.

00:06:22

A.S. Ruth Schneider: Ja das ist total spannend. Und in der Darlegung habe ich mich natürlich auch gerade selber Wiedergefunden. Da ich natürlich auch Schmuckstücke trage, die kollektiv sehr selbstverständlich sind. Wie, ich selber habe keine Perlenkette, aber ich habe mal eine während meiner Teenager Zeit getragen, was total merkwürdig war, weil warum sollte ein Teenie eine Perlenkette tragen? Und eine Perlenkette ja ein total inflationäres Objekt ist, und ich mich dabei aber super individuell gefühlt habe oder mir super individuell dabei vorkam. Gleichzeitig habe ich aber auch Schmuckstü-cke, die ich trage und Menschen denken sich dann, ahja Ohrring oder Ring. Und für uns steckt dann da vielleicht ein sehr viel weiterer Bedeutungsgehalt drin. Und für mich ist es manchmal auch tatsächlich ganz angenehm, dass nicht alle davon wissen. Und ich bewahre dann diesen Code, sage ich mal, auch ganz gerne bei mir.

00:10:45

Cornelie Holzach: Ja genau, das ist schon so . Dieses Feine an Schmuck ist, wir können sie auch über Jahrhunderte… Als Museumsfrau schaue ich auch immer noch mal ein bisschen nach hinten. Was es da alles gab. Und da gab es in diesem Bereich tatsächlich sehr viel. Und es gibt Renaissance Ringe, die man aufklappen konnte wo irgendwas drin ist. Wo wirklich Geheimnisse drin sein können. Und wo eben das auch mit schwebt, da kommt noch mal eine andere Komponente hinzu: Dieses sehr winzig und sehr klein zu haben Das macht ja Schmuck aus, das er einfach sehr klein ist. Der wird ja in den meisten Fällen nicht größer als die Person, die ihn trägt. Das war eine Zeit lang, während der 1980er Jahre hat man das ausprobiert sozusagen die Grenzen zu erfahren. Man ließ Schmuckstücke machen, die eigentlich nur für Performances gepasst haben, wo wir schon in ganz anderen Bereichen uns betätigen, wo wir schon in die bildende Kunst hineingehen. Aber normalerweise hat Schmuck schon diese kleine Welt. Und wenn da dann das noch mal kleiner wird, wegen so einem Geheimnis was ich da drinnen habe, dann ist es so was geheimnisvolles, was ich fast in mir trage oder im Körper aufgenommen habe. Und nicht nur als Stück irgendwie. Es hängt ja nicht an mir dran. Meistens sind das ja auch Ringe, die ich am Finger trage und das Schmuckstück sich sozusagen um einen Körperteil herum sich bewegt. Das ist der große Unterschied eben auch zu Broschen. Wie funktioniert das mit der Bluse oder mit dem Gewand wo man das dranhängt? Bei Ringen geht das anders, bei Halsschmuck auch.

Aber da habe ich das wirklich verinnerlicht dieses Geheimnis. Das dann zu mir gekommen ist. Und wenn ich jemanden ganz gut kenne, dann zeige ich ihm das auch mal und mache es auf und führe es vor. Das ist natürlich immer auch eine Funktion die ein Schmuckstück hat, jemanden einzuladen das Geheimnis zu teilen.

00:11:52

A.S. Ruth Schneider: Ja, total interessant. Und ich hatte mich jetzt auch eben gerade noch mal gefragt, ob es vielleicht auch ganz bestimmte Materialien oder Formen gibt, in denen eben so ein Zeichengehalt vorhanden sein kann. Also wir hatten jetzt eben gerade schon die Perlenkette. Aber ich hatte mich jetzt auch gerade gefragt mit der Schmuckrichtung die dann um 1980 sozusagen in Gang getreten ist. Ob sich da viel-leicht auch so ein bisschen die Zuwendung zum Material und das was über Material ausgedrückt wird auch einem Wandel sozusagen unterlag?

00:13:50

Cornelie Holzach: Das kann man ganz sicher sagen. Wenn wir jetzt noch mal in die neuere Geschichte gehen in der Schmuckentwicklung, dann hat es sicherlich mit dem Generationenwandel der Schmuckschaffenden und Schmückkünstler zu tun. Also wir haben diejenigen die als Lehrende tätig waren, die vor dem Zweiten Weltkrieg ihre Ausbildung machten und damals im Schmuck tätig waren und danach, nach ´45, Lehrer werden. Ob das in Burg Giebichenstein ist, in Hildesheim ist, in Pforzheim und so weiter. Die aber noch klassische Goldschmiede sind und sich mit den klassischen Materialien, also Gold, Silber, Edelsteine im weitesten Sinne, beschäftigen. Manchmal kam auch was anderes dazu. Aber das sind die Hauptmaterialien mit denen sie sich beschäftigen. Und dann kommen die 1968er Jahre wo die Jugend, jetzt sind die auch alle Uralt, sich auflehnen und die neue Welt schaffen will. Also da brauchen wir über die 68er nicht lange reden. Aber da tun sich natürlich auch sehr viele politische Gräben auf und sowohl die Kunst als auch die Kunsthandwerker und deren Schüler werden politisch und deutlich politischer. Und da fängt es dann an, dass man sozusagen diese vergifteten Materialien wie Diamanten, wie Gold, weil Gold eben aus Südafrika aus dem Apartheidsystem kommend stammte und zur Ausbeutung diente, die eben nicht mehr adäquat sind und angewandt werden wollen oder sollen. Da gab es innerhalb der Schmuckszene dieser Zeit, die damals gearbeitet haben, Auseinandersetzungen, die können wir uns heute nicht mehr vorstellen. Also die sind wirklich fast handgreif-lich geworden in der Auseinandersetzung ob ich noch Gold verwenden darf oder eben nicht. Und haben sich wüst beschimpft, Freundschaften gekündigt über dieses Thema, dass ich eben nicht als Goldschmied in Gold arbeiten darf, weil es auch diesen schrecklichen Quellen kommt. Und auf der anderen Seite dann eben die Schmuckkünstler die sagen, wir haben lauter neue Materialien, wir sind frei, wir können offen und frei arbeiten, wir können alles zu Schmuck verarbeiten, ich muss kein zeitloses Schmuckstück gestalten. Das war ja immer so diese Ikone des Schmucks, es muss zeitlos sein. Es gibt keinen zeitlosen Schmuck. Es gibt gute und es gibt schlechte. Und die schlechten überdauern die Zeit nicht und die Guten überdauern die Zeit, sind aber trotzdem ihrer Zeit verhaftet. Von daher zeitlos ist in jedem Fall quatsch.

Auf der anderen Seite dann eben dieser moderne und neue Schmuck, der neue Zugang, der sich mehr über die Kunst und über die Freiheit zu verwenden, was einen beschäftigt. Also wir haben zum Beispiel ein Schmuckstück, es ist ganz harmlos, in der Sammlung. Eine kleine Brosche, 4 auf 4. Da ist Kuhfell verarbeitet. Hat sogar noch einen Metallrahmen aus Gold. Das war aber wirklich eines der ikonischsten Schmuck-stücke zum Wandel des Materials. Es stammt von einem spanischen Schmuckmacher, damals nannte man das Schmuckmacher, Namen ändern sich auch immer mal wieder. Der sagt, ich lebe auf dem Land, die Kühe, die sind immer um mich herum, deren Fell kenne ich, das Land fasse ich an, also arbeite ich mit dem. Also die Materialien, die einem zugänglich sind oder die man haben möchte verwendet man, und nicht die, die vorgegeben sind. Das sind die Materialien um Schmuck daraus zu machen. Für uns heute klingt das jetzt gar nicht mehr so spannend, aber es war damals wirklich eine Revolution so umzugehen. Das man sich eben Materialien sucht, die etwas mit einem selber zu tun hat. Oder wenn jemand Interesse hat, mit dem man arbeiten möchte und ob das jetzt ganz weit weg ist, haltbar ist oder nicht haltbar ist oder was man damit ausdrückt. Man kennt sich damit aus.

Und das ist, glaube ich, ein mit entscheidender Unterschied gewesen. Gerade ab den 70ern bis in die 80er hinein, dass so gearbeitet werden konnte.

00:14:35

A.S. Ruth Schneider: Ja, das ist ja total spannend. Und da stecken jetzt ja auch ge-rade ganz viele Punkte drin. Also in Richtung von ah, das Schmuckgeschehen aus Perspektive der Machenden und das verändert sich und erfährt vielleicht auch schon so eine Form von Politisierung. Es wird danach gefragt, wie können wir eigentlich mit Materialien umgehen, vielleicht auch in so eine materialethische Richtung. Es wird auch danach gefragt, wie Positionen direkt aus der Fertigung, also in dem Herstellungsprozess, vermittelt und verkörpert werden können. Und auch gerade diesen Aspekt dessen, mit welchen Materialien arbeiten wir eigentlich und in welchem Bedeutungszusammenhang stehen die Materialien zu uns als Künstler*innen und herstellenden Personen ist ja total spannend. Und ich glaube da kristallisiert sich schon ganz stark heraus, dass Schmuck eben einen ganz intensiven Kommunikationsgehalt hat. Und nun fragen wir uns, dieser Kommunikationsgehalt oder diese Zeichen, die durch Schmuck materialisiert und transportiert werden – wie können die eigentlich möglicher Weise für Rezipierende lesbar gemacht werden. Oder vielleicht auch gerade im musealen Kontexten, wir können sich da Besuchende diesem Fundus an Zeichen annähern?

00:18:43

Cornelie Holzach: Ja, das ist ein schwieriges Thema, das sie da ansprechen. Weil sie brauchen natürlich einen Rezipienten der ein Interesse hat, wie ich es vorher schon sagte. Also jemand der etwas einfach nur anglotzt und sagt „wie sieht denn das aus“, das wird einem nicht weiterhelfen. Denen übersetze ich nichts. Wie kann man das im musealen Kontext tun? Also wir haben gerade, Ende letzten Jahres eine Ausstellung eröffnet, eine Dauerausstellung, in der wir mit einer ethnografischen Sammlung, die wir aus einem Nachlass bekommen haben, arbeiten. Wir haben festgestellt, wir können nicht mehr hier die „Exotik“ und dort „das Andere“, also unseren Schmuck, mit dem wir vertraut sind, zeigen. Sondern wir müssen da Mischung erstellen. Wir müssen das nicht nur vernetzen, sondern verschränken miteinander. Und hatten da nach allgemein gültigen Zeichen gesucht, die neutral sind. Die zunächst keine Aussage haben, außer dass es zum Beispiel eine Farbe ist, weiß, blau, rot als Schmuckfarben. Und dann noch andere Kriterien, die formal sind. Also formale Kriterien wie z.B. Kreis, Spirale, Rechteck, was auch immer. Also nach diesen Kriterien das zunächst einmal aufzuteilen. Noch gar nicht nach einer inhaltlichen Bewertung, sondern nach dem Äußeren. Und da haben wir alles gemischt, was wir in der Sammlung haben. Von zeitgenössischen Schmuck bis hin zu Antiken Schmuck, über Renaissance, Barock und eben diesen eth-nografischen Schmuck dazu. Und auf einmal ergeben sich so viele Gemeinsamkeiten. Nicht nur aus dem Zeitgenössischen mit dem Ethnografischen. Das ist eine geübte Praxis. Aber eben auch aus den anderen historischen Stücken zu teilen. Und da lernt man, und das ist eben der Sinn dieser Art Ausstellung die wir da eingerichtet haben, das Besucherinnen und Besucher merken, dass es Gemeinsamkeiten gibt und das es eine Sprache gibt, eine universelle Sprache des Schmucks. Die man auf ganz vielen Ebenen ablesen kann. Ob das jetzt bei dem Biedermeier Ringchen ist oder bei dem turkmenischen Riesenhalsschmuck. Das sind manchmal ganz ähnliche Dinge, die nicht nur eine äußerliche Ähnlichkeit haben, sonder auch eine inhaltliche Ähnlichkeit. Und da ist der Ansatz eben so, dies zu sensibilisieren. Das wir eben nicht etwas anschauen und sagen „ahja klar, das kommt aus Afrika, das ist von ich weiß nicht woher“ und dann sozusagen nicht mehr hingucken, da wir das ja schon einordnen können. Denn durch das neue Hingucken müssen und sich zunächst mal zu fragen: Ist das jetzt wirklich ein afrikanisches Stück oder ist das ein prähistorisches Stück. Oder ist das jetzt eine Silberkette, die ein zeitgenössischer Schmuckmensch gemacht hat oder ist das jetzt eine turkmenische, ich bin wieder bei den Turkmenen, kann auch usbekisch oder sonst wie sein, oder jetzt eine Kette, die aus diesem Kontext stammt. Und wenn ich so eine Unsicherheit geschaffen habe, dann schaffe ich hoffentlich auch eine Aufmerksamkeit genau hinzuschauen und zu lesen und versuchen lesen zu können. Unsere These ist es im Moment Schmuck über seine reine Anschauung, „schön oder nicht schön, gefällt mir oder gefällt mir nicht“, hinaus als etwas lesbares zu etablieren bzw. sichtbar zu machen.

00:20:22

A.S. Ruth Schneider: Ahja, spannend was Sie sagen. Weil ich lese, bzw. ich inter-pretiere da gerade so Komponenten heraus, einmal historische Bezüge miteinander in den Dialog zu setzen und auch zu zeigen, hej Schmuck hat einfach Jahrtausende Menschheitsgeschichte hinter sich und ist ein stetiger Begleiter sozusagen von einem menschlichen Handeln und einem menschlichen Sich Veräußern. Also im weitesten Sinne von einem Kommunizieren, wie wir es ja eben gerade schon hatten. Und ich möchte auf jeden Fall gerne noch diese Ausstellung besuchen. Und ich habe jetzt in meinem Kopf gerade ein wenig imaginiert, dass es nicht nur bedeutet sich als betrachtende Person in das Verhältnis zu setzen eben mit diesen Schmuckstücken, sondern auch darüber hinaus sich ins Verhältnis zu setzen mit der Historie die den Stücken anhaftet und sich darüber eben ins Verhältnis setzen zu der Welt, in der wir uns bewegen. Mit eben all ihren Dynamiken. Und denke das ist total spannend. Ebenso die Komponente, die Sie gerade herausgestellt haben, dass diese einfachen Kategorisierungen von „das ist jetzt schön“ oder „das ist jetzt nicht schön“ vielleicht gar nicht so hilfreich sind für das Schmuckverständnis. Dass das natürlich sehr einfache und schnelle Kategorien sind, genau, das finde ich total spannend. Und würde jetzt ganz gerne noch mal fragen: Aus Ihrer Perspektive, gehört Schmuck an den Körper?

00:24:04

Cornelie Holzach: (lacht) Das ist natürlich eine schwierige Frage, wenn Sie die Museumsfrau fragen. Wir haben den ja nie am Körper unseren Schmuck, was wir wahn-sinnig gerne manchmal tun würden. Immerhin haben wir das Privileg ihn ab und zu in die Hand nehmen zu dürfen. Aber natürlich gehört Schmuck auch an den Körper. Also das ist beides. Sie möchten das ja auch selber sehen. Wenn sie ein schönes Schmuckstück haben, dann möchten Sie es ja auch einfach betrachten können. Ich kenne zum Beispiel eine sehr alte Dame, die kauft sich häufig noch Schmuck. Sie kann nicht mehr ausgehen und kaum noch laufen. Sie kauft sich Schmuck und lässt sich den auch machen, und auch wirklich schön und wertvoll. Und da fragt man sich ja, was soll das, siezieht den ja kaum noch an. Nein, sie möchte ihn betrachten. Sie möchte sich imaginie-ren, wie sie mit dem Schmuck aussieht. Sie zieht sich den dann manchmal auch an und stellt sich vor den Spiegel und schaut sich an. Und das ist jetzt gar keine oberfläch-liche Person. Und trotzdem. Dann merkt man schon, es gibt wirklich die zwei Ebenen. Vielleicht muss man so sagen: es gehört zum Menschen. Denn wenn ich den Schmuck betrachte, betrachte ich auch immer mich mit dem Schmuck. Das läuft irgendwie immer im Hintergrund in einer gewissen Weise ab. Und auf der anderen Seite gehört Schmuck natürlich an den Körper, weil er auch für den gemacht ist in den allermeisten Fällen. Und wenn er dann nicht gerade richtig an den Körper passt, dann muss man sozusagen den Körper passend machen. Also dass man dann irgendwie aufrecht steht oder sich irgendwas anzieht wo man den Schmuck eben auftragen kann. Der Schmuck funktioniert ja auch nie ohne die Kleidung. Das dürfen wir auch nie vergessen, dass wir da immer ein Gesamtkunstwerk sozusagen komponieren. Mit den Kleidungsstücken, mit den Dingen die wir anhaben, wie ich es vorher sagte, mit den Haaren, wie wir die Haare tragen wollen. Wenn wir ganz lange Haare haben, die über die Ohren gehen, dann ziehe ich keinen Ohrschmuck an. Also wenn ich dann Ohrschmuck anziehe, dann mache ich etwas mit meinen langen Haaren damit man ihn sehen kann, dann stecke ich sie hoch oder mache einen Pferdeschwanz oder was weiß ich. Aber das ich mein Gesicht so gestalte, damit der Schmuck damit in ein Ganzes hinein wirken kann. Des-halb gehört natürlich Schmuck an den Körper, mit all dem was dazu gehört. Und da muss man dann glaube ich noch mal schauen, welchen Schmuck ziehe ich dann an. Und ich kenne das von mir, ich trage auch Schmuck immer wieder.

Es gibt auch Tage an denen ich keinen trage, weil ich einfach keine Lust dazu habe. Da muss man dann auch gucken, was ist das, was passiert da mit einem wenn man Lust hat Schmuck zu tragen. Und wähle eben auch aus nach bestimmten Kriterien. Also wie geht es mir an dem Tag, weswegen ich schon weiß was ich anziehe, also muss ich überlegen welchen Schmuck ziehe ich an. So. Also das geht ja immer in einem. Oder aber es gibt Schmuckstücke, die trägt man einfach immer. Ohne das irgendein Grund oder Kleidung dazu besteht. Für überhaupt alle, die jetzt nicht mit Schmuck zu tun haben, ist es meistens der Ehering oder der Verlobungsring oder das Familienerbstück. Oder wenn Sie katholisch sind, sind es Kreuze, die die Kinder zur Firmung bekommen haben, die sie dann anziehen. Also die laufen dann immer mit. Das ist Schmuck der immer getragen wird, der gehört sozusagen verwachsen mit der Person. Und alles andere, was ich dazu aussuche. Das hat dann mit ganz vielen Dingen zu tun, warum ich sie aussuche. Klar kann ich sagen, ich bin bei einem offiziellen Fest oder bei einer offiziellen Einladung wo ich bei bestimmten Arten des Schmucks tragen sollte. Ich hatte ge-rade vorher ein Gespräch mit zwei Damen, da hatten wir uns über Diademe und Tiaras unterhalten. Und im Englischen gibt es immer noch Einladungen, also hochoffizielle Einladungen, und da ist unten der kleinen Zeile „Tiaras are worn“. Also Tiaras, Diademe werden getragen. Das heißt nicht, dass jede ein Diadem aufsetzen muss. Aber es heißt mindestens, dass sie ein festliches, sehr langes Kleid tragen muss. Weil das ein wirklich offizieller Anlass ist. Da wird der Schmuck zu dem Code dazu, was ich insgesamt tragen soll. Und so gibt es natürlich diesen Schmuck, der auf Statusebene stattfindet, der dann da auch gezeigt wird.

Aber es gibt eigentlich so im Alltag und in kleineren Veranstaltungen oder je nachdem wie ich mich fühle, Schmuckstücke die dann eine bestimmte Aussage zu mir und zu meinem Zustand an diesem Tag haben. Also man kann glaube ich schon, wenn man Schmuck bewusst trägt, einen Hinweis darauf geben, wie geht es einem. Bin ich heute mutig und trage buntes Zeug oder große Sachen oder wenn der Ring über die ganze Handfläche geht. Oder bin ich heute nicht in der Stimmung darauf, die ganze Zeit angesprochen oder angeguckt zu werden, sondern mache dann lieber gar nichts oder irgendwas kleines. Also da kann ich sozusagen mein Gemütszustand und wie ich in der Welt sein möchte, kann ich mit dem Schmuck ausdrücken, bzw. der Schmuck drückt es aus wie ich mich fühle. Weil ich wähle den ja dann aus, wie es sein soll. Und das weiß ich vielleicht. Also die Reaktion, die ich dann bekomme, wenn ich mich sozu-sagen sehr extrovertiert schmücke, ist dann auch die, die ich will. Also wenn ich mich ungut fühle, werde ich nicht irgendwas wahnsinnig auffälliges anziehen an Schmuck oder Kleidung, weil ich ja dann im Mittelpunkt stehen. Aber wenn ich das an dem Tag dann aber eben nicht möchte, kann ich diese Art von Schmuck nicht tragen. Und da denke ich, kann man glaube ich vielleicht manchmal intuitiv, manchmal aber auch sehr bewusst, das sich Äußern gegenüber anderen, ohne das die Andere überhaupt wissen, dass es so ist, das sie es lesen sollen. Weil man springt einfach dann drauf. Wenn ich jetzt ganz schwere lange Ohrringe tragen würde an einem Tag, dann weiß ich natürlich, die Leute gucken dahin. Wenn ich eine kleine winzige Perle im Ohr trage, dann ist es sozusagen ein Gesamtwerk, das gar nicht auffällt. Also daran merkt man, dass der Schmuck wirklich zu Personen und zum Körper gehört. Jetzt mal ganz abgesehen von den ganzen Performance Geschichten, die ich vorher erwähnte, die man so in 1980er, 1990er Jahren gemacht hat. Wo es einfach darum ging auszuprobieren, was kann ich eigentlich tun. Das war wahnsinnig wichtig, ist jetzt aber nicht unbedingt dazu da, dass ich das immer trage.

Und zum Beispiel wir haben in unserer zeitgenössischen Abteilung natürlich auch sehr viel Schmuck, der für viele Leute, die ins Museum kommen und sich das eben mal anschauen, als untragbar gilt. Das fängt übrigens schon bei den 1960er Jahren an. „Ohhhh, das ist dann zu groß, zu schwer, kann man nicht tragen“. Und das ist ja nicht wahr. Sie können das ja immer tragen. Sie müssen sich halt manchmal etwas anstrengen. Und wenn ich manchmal eine Führung mache dazu, dann erzähle ich dann auch immer, naja, also High Heels sind auch anstrengend zu tragen. Wenn ich mit 12, 15 Zentimeter Absätzen oder den hohen Plateau Sohlen, die zu Teilen manchmal wieder in Mode sind, rumlaufen muss, da muss man sich auch schwer anstrengen. Da kann ich durchaus auch mal ein Schmuckstück tragen, dass etwas unbequemer ist zu tragen. Das heißt, der Schmuck gehört wirklich zum Körper. Aber er muss natürlich auch als betrachtbares Kunstwerk funktionieren.

00:26:03

A.S. Ruth Schneider: Ja vielen Dank. Ich glaube in Ihren vielen letzten Anekdoten, da kann mindestens ich mich wieder finden und vielleicht auch ein paar unserer Hörer*innen. Ich glaube in dieser Zusammenfassung von klar, Schmuck steht in Korrespondenz mit dem Körper, aber es ist auch voll ok wenn er dabei manchmal ungemütlich ist, ist auch sehr wichtig, um dieses große Spannungsfeld, das Schmuck bedient noch mal darzulegen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass wir in unseren folgenden Episoden noch weiter auf diese Spannungsfelder eingehen werden. Und würde mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Ihnen, Cornelie Holzach, bedanken für dieses Gespräch.

00:33:57

Cornelie Holzach: Ich danke, es hat mich wirklich gefreut mich mit Ihnen darüber zu unterhalten.

00:34:48