Glanz & Kante

Zum Schmuckbegriff

Kosmos, Körperbezug und Aufmachungen. In unserer sechsten Episode nähern wir uns dem Schmuckbegriff an, fragen danach wie Schmuck unser Leben formte und wie wir ihn formten und formen, auch in unserem Alltag. Wir sprechen über Glanzkanten, Bijou Brigitte, der Laden unserer Verzauberung und Gänseblümchenketten. Es geht dabei um das Beiläufige von Schmuck, um seine Präsenz und Wirksamkeit ohne Körper und darum warum Schmuck spricht ohne zu sprechen.

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DANKE

Musik: Mine Pleasure Bouvar Wenzel | @mine_pleasure_bouvar

Dieser Podcast wird unterstützt vom Fachbereich Metallgestaltung der HAWK, der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim, Holzminden Göttingen sowie vom AStA der HAWK. Vielen Dank dafür!

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Transkription

A.S.Ruth Schneider: Hi Cathleen!

Cathleen Kämpfe: Hi Ruth!

00:00:32

A.S.Ruth Schneider: Heute zu einem Gespräch zwischen uns beiden. Ich freue mich da total drüber, wir werden nämlich heute über den Schmuckbegriff sprechen. Beziehungsweise auch ein bisschen darüber, was wir unter Schmuck verstehen. Und für alle die mir oder dir vielleicht schon mal die Frage gestellt haben, werden wir auch nochmal erzählen, was eine Glanzkante ist. Für all die Menschen, die vielleicht nicht aus dem Schmuck kommen und anders über dieses Begriffspaar nachdenken als wir. Wobei ich glaube, dass auch wir da etwas erweitert darüber nachdenken. Wie geht es dir heute?

00:00:34

Cathleen Kämpfe: Mir geht es ganz gut. Ich war erkältet in den letzten Tagen. Vielleicht lässt sich das noch raus hören. Aber ich bin zum Glück wieder deutlich besser drauf. Wie geht es dir?

00:01:16

A.S.Ruth Schneider: Mir geht es auch gut. Ich glaube alle waren in den letzten Tagen erkältet (lacht).

00:01:26

Cathleen Kämpfe: Ja, gefühlt war ich wirklich nicht die Einzige. Ich finde es auch richtig gut, dass wir nochmal zu zweit quatschen. Wir haben das ein bisschen öfter vor. Falls sich manche wundern was los ist. Das war unser großer Plan. Deswegen war auch der Teaser relativ lang, länger als vielleicht von anderen Podcasts gewohnt. Weil wir uns vorgenommen haben ab und zu mal, alle paar Folgen, zu Zweit ein Gespräch einzustreuen.

00:01:30

A.S.Ruth Schneider: Fangen wir doch einfach an. Mit dieser Frage: Wie kam es zu GLANZ & KANTE und was meint dieses Begriffspaar? Beziehungsweise, könnte es sein, dass es so etwas wie eine Glanzkante gibt?

00:01:54

Cathleen Kämpfe: Die Nachfrage nach Glanz und Kante kam weil wir Feedback bekommen haben. Worüber wir uns auch immer sehr freuen. Natürlich auch von ganz vielen Menschen, die nichts mir Schmuck zu tun haben, was bei mir super unterhaltsam ist. Also mein Freundeskreis besteht aus sehr sehr vielen nicht-Schmuckis. Und die fragen sich regelmäßig nach einzelnen Begriffen, was es ist. Und wenn sie gar nicht weiterwissen, wird auch gefragt. Was ich immer sehr gut finde. Und natürlich kommt die Frage auf: Glanz und Kante? Wobei ich glaube, dass viele Leute es auch einfach eine passende Beszeichnung für Schmuck finden – Glanz und Kante. Und natürlich einfach als nicht Fach-Schmuckis wissen, dass es eine Glanzkante gibt. Das ist tatsächlich ein Begriff als der Goldschmiedewerkstatt, aus der Schmuckpraxis. Darunter versteht sich … In unserem Teaser war die ja auch Fluch und Segen. Also es ist ja auch eine sehr schöne Sache. Wenn ein fertiges Schmuckstück, also wenn wirklich alles zusammen montiert und gelötet ist, der Stein gefasst ist, wenn alles fertig ist …

A.S.Ruth Schneider: Die Oberfläche versäubert!

Cathleen Kämpfe: Die Oberfläche versäubert, und das kann dauern.

A.S.Ruth Schneider: 10 Stunden, 20 Stunden ...

00:02:06

Cathleen Kämpfe: Oberfläche – oho, jaja. Bei der Oberfläche habe ich mich auch oft ganz viel verkalkuliert. Ich habe ganz viel Zeit richtig gerechnet, wie lange ich brauche zum Bauen. Aber Versäubern und Oberfläche, das hat es wirklich immer gesprengt. Damit die Glanzkante am Besten zum Wirken kommt, war es zumindest bei uns so, dass die Oberfläche meistens mattiert wird. Idealerweise strichmatt. Was richtig kompliziert ist, den Ansatz von strichmatt zu eventuellen Rundungen hinzubekommen. Also wirklich tippi toppi, das kein einziger Kratzer mehr irgendwo ist, wo er nicht sein sollte. Und dann gibt es einen kleinen Polierstahl. Das ist ein längliches, schmales Werkzeug. So lang vielleicht wie ein Bleistift. Bestehend aus gehärteten Stahl und einer leicht angerundeten, also im Queerschnitt ist es eine linsenförmige, Fläche. Der wird dann sehr konzentriert mit sehr viel Kraftaufwand, im Idealfall klappt das nämlich mit einem Mal drüber gehen, über die Kante des Schmuckstückes gegangen. Das heißt die Flächen sind akkurat in der Oberfläche, wie sie sein sollten. Die Kanten sind natürlich dann entsprechend spitz 90°. Wie sich das meistens so gehört in klassischen deutschen Ausbildungenswerkstätten. (lacht) Und dann wird die Kante sozusagen leicht gebrochen, indem man da mit dem Stahl, mit viel Druck, drauf entlang geht, Und das gemeine ist natürlich ist mit Metall auf Metall ist es sehr rutschig zu arbeiten. Es ist rutschig. Und wenn man dann ausrutscht und mit dem schönen, an den Seiten eben auch spitzen Stahl, eben über diese Oberflächen ratscht – heißt es nochmal die Versäuberung von vorne zu beginnen.

00:03:16

A.S.Ruth Schneider: Und wenn man Pech hat, dann ist eine Vertiefung in dem Schmuckstück. Weil Stahl ja härter ist als Silber oder Gold.

00:04:43

Cathleen Kämpfe: Und dann geht der Spaß nochmal so richtig von vorne los. Und das kann wahnsinnig frustrierend sein. Ich finde eh, in der Goldschmiede ist es so ein Ding, dass ganz ganz viele Stunden der Arbeit hervorragend klappen können. Und dann in den letzten Schritten ist es so, dass die Dinge auf einmal zusammenbrechen und fallen und nichts mehr funktioniert. Man kann sich wirklich 10 Stunden wie die größte Königin der Golschmiede fühlen. Und in den letzten drei Arbeitsschritten bricht einmal alles zusammen und es kann auf jeden Fall wieder von vorne begonnen werden.

A.S.Ruth Schneider: Ja voll, große Frustrationstoleranz.

00:04:50

Cathleen Kämpfe: Ja! Schmuckstücke mit Glanzkante assoziiere ich so ein bisschen mit Ende der 90er, Anfang 200er. Wie geht es dir damit?

00:05:22

A.S.Ruth Schneider: Auch. Ich glaube wir haben jetzt gerade vergessen zu sagen, was passiert wenn der Stahl da drüber gezogen wurde - es glänzt! Es kommt eine Politur.

00:05:27

Cathleen Kämpfe: Ja. Die ehemalige kantige Kante ist leicht gebrochen und glänzt dann. Und wenn das Schmuckstück dann bewegt wird, fällt auf, dass es nicht nur eine matt geschliffene Oberfläche ist. Nein, irgendwie funkelt es auch an der Seite und das ist die fantastische Glanzkante. Oh, was habe ich gerne Glanzkanten gemacht. Ich besitze auch Schmuckstücke mit Glanzkante.

00:05:38

A.S.Ruth Schneider: Ja ich besitze auch Schmuckstücke mit Glanzkante.

00:05:56

Cathleen Kämpfe: Finde ich schon auch gut, Glanzkanten. (lacht) Es ist eigentlich auch sehr traditionell und es gibt auch zahlreiche Menschen einfach, die das natürlich nicht so sehr schätzen. Aber wir fanden es schön. Und da wir zwei Leute sind, die diesen Podcast machen, fanden wir es auch schön zwei Begriffe zu haben. Und Glanz und Kante sind in jedem Fall ja auch zwei gut auf Schmuck anwendbare Begriffe.

00:05:59

A.S.Ruth Schneider: Ich glaube ich assoziiere damit, jetzt neben dieser praktischen, technischen, goldschmiederischen Funktion, dies das, natürlich auch noch eine Art und Weise wie Schmuck begriffen werden kann oder wie über Schmuck gesprochen werden kann. Und das natürlich der Glanz dem Schmuck als Narrativ inhärent ist und aber auch, wir beiden haben bestimmt den Gedanken, dass aber auch die Kante im Narrativ braucht. Und vielleicht noch viel viel mehr braucht als bereits vorhanden. Und daher auch die Art und Weise … oder auch dieser Begriff, Glanz und Kante, … Es könnte dabei auch um eine Form der Beziehung von uns zum Schmuck gehen. Also, dass diese Beziehung zu Schmuck glänzend aber auch kantig sein kann. Also, dass da Ambivalenzen mitschwingen können. Wobei weder Glanz noch Kante das jeweilige andere irgendwie kategorisch ausschließen muss. Was auch total interessant ist, ich weiß nicht ob du das auch schon gefragt bekommen hast? Ich wurde gefragt, wer ist denn jetzt Glanz und wer ist Kante?

00:06:21

Cathleen Kämpfe: Habe ich richtig oft gefragt bekommen. Soll ich dir die Antwort sagen?

A.S.Ruth Schneider: Ja voll! Vielleicht ist es eine Andere.

Cathleen Kämpfe: Weißt du was mir Leute geben? Leute raten dann?

A.S.Ruth Schneider: Ach echt? Ach funny!

Cathleen Kämpfe: Bei dir nicht?

A.S.Ruth Schneider: Nee, die haben mich einfach nur gefragt. Die wollten dann ne Antwort.

Cathleen Kämpfe: Ach witzig. Ja bei mir haben die Leute angefangen zu raten.

A.S.Ruth Schneider: und?

Cathleen Kämpfe: Die Menschen die nur mich kennen und dich nicht, die sagen, dass ich die Kante bin.

A.S.Ruth Schneider: (lacht). Lol.

Cathleen Kämpfe: (lacht) Und Menschen, die uns beide kennen sagen, dass du die Kante bist und ich der Glanz. Lustig ne, das hat sich durchgezogen.

A.S.Ruth Schneider: Toll. Ach mega. Total spannend. Also ich habe einfach geantwortet. Das war so nicht gedacht.

Cathleen Kämpfe: Ja richtig, das ist auch meine Antwort. (lacht) Wir sind beide ja beides, sonst würde es ja auch nicht funktionieren.

A.S.Ruth Schneider: Genau, das war so nicht gedacht. Und wenn ihr das irgendwie differenzieren wollt, dann überlasse ich das gerne euch und eurem projektiven Gehalt. Hat erst mal nichts mit uns zu tun. (lacht)

Cathleen Kämpfe: Ja (lacht)

00:07:35

A.S.Ruth Schneider: Und ich hatte jetzt eben gerade schon so ein bisschen darüber gesprochen, wie wir über Schmuck sprechen können. Und vielleicht können wir dazu kommen, was wir unter dem Schmuckbegriff verstehen, beziehungsweise unter Schmuck. Ich glaube ich würde so ein bisschen ausholen. Also erst mal grundsätzlich als Begriffsbestimmung, beziehungsweise woher der Begriff kommt und wie er seine Formung und Bedeutung nahm. Erstmal zu schmückenden Praxis: Aus bisherigen Forschungen ist bekannt, dass sich Menschen bereits vor 150000 Jahren schmückten und angefangen haben sich zu schmücken mit kleinen Perlen aus Muscheln oder Schnecken. Und die wurden so bearbeitet, dass explizit Bearbeitungsspuren an diesen Perlen zu sehen sind, so dass sie aufgefädelt werden und irgendwie an den Körper gebracht werden konnten. Und das geschah einfach mit Sachen, die in der Natur vorgefunden wurden. Metall zu bearbeiten war damals noch gar kein Thema, das fing erst vor 6000 Jahren an. Wo ja wirklich noch viele etliche Jahre dazwischen liegen. Es kann tatsächlich gemutmaßt werden, dass eben die Muschelketten oder Perlenketten ganz ähnlich funktioniert haben, wie Schmuck auch heute unter anderem noch funktioniert. Nämlich einfach als ein Ausdruck von Identitätsartikulierung und dass sich Menschen einfach über Materialien quasi symbolisch ergänzt haben. Oder ein Zusammenkommen von Materialien zu symbolischen Zwecken benutzt haben. Und das einfach eine sehr eingeübte menschliche Praxis und Handhabung ist. Also sich etwas an den Körper zu bringen, was vielleicht irgendwo aufgefunden wurde. Hast du mal Gänseblümchenketten gemacht?

00:08:45

Cathleen Kämpfe: Ich glaube nur einmal versucht.

A.S.Ruth Schneider: Wow.

Cathleen Kämpfe: Erstaunlich ne? Ich bins‘. (lacht) Ich weiß, die Antwort ist eigentlich meistens eine andere.

A.S.Ruth Schneider: kantig!

Cathleen Kämpfe: Ich habe viel viel öfter Perlen auf Ketten und Edelstahlseile, etc aufgefädelt, als Gänseblümchenketten selber zu basteln.

A.S.Ruth Schneider: Ja. ok.

Cathleen Kämpfe: Du schon?

00:10:44

A.S.Ruth Schneider: Ja klar, ich bin auf dem Dorf groß geworden. Ich weiß nicht wie viele Gänseblümchenketten ich gemacht habe und Haarkränze und so weiter. Womit wir einfach sagen wollen, dass ist eine Art und Weise von Artikulierung, die verinnerlicht wurde oder auch einfach ist. Und Menschen formen Gedanken oder Verständnisse sich zu artikulieren oder von Identität und so weiter… Natürlich nicht nur durch oder mit Gegenständen. Sondern natürlich auch ganz wesentlich durch Sprache. Und da kommen wir zum nächsten Punkt. Nämlich zum tatsächlichen Begriff des Schmucks. Die Vorsokratiker verwendeten für Schmuck, also den tatsächlich ganz praktisch, sichtbaren Schmuck, der sich an den Körper irgendwie gemacht werden kann, also Schmuckgegenstände, auch das Wort Kosmos. Und dieser Begriff wurde selbstverständlich nicht nur für die Umschreibung von Schmuck verwendet. Unter Kosmos fallen viele weitere Bedeutungsebenen, die sich insgesamt als begriffliche Rahmung von Weltverstehen, von Schönheit, von Welt verstehen, von Ordnung und Weltordnung sammeln lassen. Also es ist quasi ein Begriff der versucht ein Verständnis von Welt zu kategorisieren mit einer bestimmten Couleur. Also wenn ich sage: von Ordnung und von Schönheit, dann liegt dem so eine bestimmte Richtung oder Gewichtung inne. Genau, also umso interessanter natürlich, dass der Begriff auch auf Schmuck angewendet wurde. Und ich denke mir jetzt aber heute: Ah es ist natürlich auch gar nicht so fern. Weil natürlich Menschen zum Beispiel in Licht, wie etwa die am 10.07. endende Ausstellung in Wolfsburg im Kunstmuseum zeigt. Auch in Licht suchten Menschen ganz viel Erklärung, ebenso wie in Materialien wie Gold. Also das waren glaube ich einfach Behilfsbrücken dialogisch mit Materialien Weltverständnis zu formen und zu kategorisieren. So ganz banal.

00:11:08

Cathleen Kämpfe: Und was ist Schmuck für dich ganz persönlich?

00:13:15

A.S.Ruth Schneider: Ja für mich selber ist Schmuck vor allem Materialisierung von allem möglichen und artikuliert, präsentiert oder kommuniziert dann. Entweder durch sich selber oder mit Körpern oder eben auf eine Art und Weise wie Körper mit Schmuck artikulieren. Also ich glaube es gibt auch so etwas wie eingeübte Körperpraktiken wie sich Körper Schmuck annähern. Kann man mal beobachten, ist ganz interessant. Und ich glaube auch, dass Schmuck Dinge sind oder Objekte sein können, die sprechen ohne zu sprechen. Schmuck ist für mich auch Erfahrung oder Erinnerung, manchmal aber auch etwas nices. Und ich habe übrigens auch Synonyme für Schmuck gegoogelt, das hat richtig viel Spaß gemacht. Ein Moment, ich lese sie vor. Hier sind einige meiner Top-Synonyme für Schmuck. Ausstattung, Dekor, Dekoration, Juwel, Kleinod, Schmuckstück, Pracht, Ornament, interessanter Weise auch Staat, also der Staat, Ausstattung, Verzierung, Aufmachung. Aufmachung liebe ich übrigens sehr, finde ich total scharf. Prunk, Staffage, Preziosen, Geschmeide. Ja, ich hoffe jetzt wisst ihr hoffentlich alle Bescheid.

00:13:17

Cathleen Kämpfe: Oh, das ist fantastisch. Das ist alles richtig gut.

00:14:42

A.S.Ruth Schneider: Ja und vielleicht, jetzt habe ich irgendwie super viel gebabbelt vor mich hin, habe auch manchmal Probleme mich kurz zu fassen. Wir sprechen ja auch manchmal von Schmuck und körperbezogenen Objekt. Hast du dazu Gedanken? Oder warum gibt es vielleicht diese Unterscheidung? Es ist vielleicht auch nicht nur in einer Differenz zueinander zu betrachten, sondern auch in einem Miteinander?

00:14:47

Cathleen Kämpfe: Über den Begriff körperbezogenes Objekt bin ich, wenn ich ehrlich bin, erst gestolpert, als sich unser Fachbereich dahin umbenannt hat oder umbenannt wurde. Vorher war das für mich gar nicht so geläufig. Da war so für mich die Frage, welchen Schmuck mache ich denn? Und ich habe gerne auch großen Schmuck gemacht, der gerne um den Körper herum lief und das mit einem Durchmesser von einem Meter. Und ich dachte, das ist dann eher so künstlerisch, klang mir jetzt nen bisschen arty arty.

A.S.Ruth Schneider: Voll abwertend, ey.

Cathleen Kämpfe: Ja.. (lacht) .

A.S.Ruth Schneider: (lacht) spannend. Liegt bestimmt an der Gestaltungs – Design Hochschule.

00:15:12

Cathleen Kämpfe: Ja das kann … Daran liegt es auf jeden Fall, daher ist es ja auch geprägt. Von wo anders habe ich das ja auch gar nicht. In einem unserer Interviews tauchte schon auf, dass eine unserer Interviewpartnerinnen meinte, es gibt ja so viele verschiedene Begrifflichkeiten. Cornelie Holzach meinte das im ersten Interview, wie sich Schmuckmachende im Laufe der Jahre bezeichnet haben. Wie sehr sie sich eher der Kunst oder dem Handwerk zurechneten. Diese Begrifflichkeiten wechseln ja ständig. Und eigentlich war ich eher am überlegen, was für eine Art von Schmuckkünstlerin bin ich eigentlich? Was ich jetzt übrigens aufgegeben habe. Ich bin zum Einfachen: Ich bin Schmucki – Selbstbezeichnung übergegangen. Ich mache Schmuck. Und ich gehöre dann einfach zu Schmuckis, in meiner Vorstellung. So im Allgemeinen. Zur größt möglichen Bubble möchte ich mich dann zählen. Und eigentlich habe ich mich dann sehr gefreut, als körperbezogenes Objekt auftauchte als Begriff. Weil es für mich nochmal viel mehr die Möglichkeit raus nimmt, dass die Dinge unkompliziert an Klamotten gesteckt und um den Hals geworfen werden müssen, sondern einfach ein Handlungsangebot sein können, das sich irgendwo an den menschlichen Körper andocken kann, aber nicht immer unkompliziert mit zum Supermarkteinkauf getragen werden muss. Einfach die Unterteilung treffen zu können zwischen: Es gibt raumbezogene Objekte, es gibt körperbezogene Objekte, etc. Und wir sind halt … Zumindest meine Arbeit verstehe ich verstehe ich viel viel einfacher, wenn ich sage, ich mache körperbezogene Objekte. Im Sinne von, das sind Objekte, die sehen cool aus und sollen auf jeden Fall einladen, dass Menschen Lust haben, sich damit zu beschäftigen und sie irgendwie an ihren Körper zu adaptieren. Also meistens heißt das einfach in die Hand nehmen. Und gerne auch mal damit spielen oder sich darin einwickeln oder dann gerne auch wieder zur Seite legen. Aber es sind sozusagen Objekte, die auf menschliche Körper andockbar sind, und das ist meine Art Schmuck zu machen. Wie geht es dir damit?

00:15:56

A.S.Ruth Schneider: Ja auch ähnlich. Ich dachte jetzt gerade nochmal, als ergänzenden Gedanken, dass du ja auch viel mit einem Spiel von Körperwiderständigkeit umgehst, in deiner Praxis. Wo ja auch nochmal deutlich wird, nur weil Dinge Schmuck heißen, können sie oder müssen sie aus verschiedenen Gründen nicht unbedingt tragbar sein. Beziehungsweise auch Körperwiderständiges ist ja tragbar. Die Frage ist ja wie und in welche Kontexte das dann eingebettet ist, zum Beispiel Supermarkt.

Cathleen Kämpfe: Geht es dir so, dass du findest, Schmuck ist tragbar?

A.S.Ruth Schneider: Nö. Also kann, aber es interessiert mich nicht.

00:17:50

Cathleen Kämpfe: Und wo ist da die Grenze? Gibt es für dich eine Grenze zwischen Schmuck und körperbezogenes Objekt?

00:18:29

A.S.Ruth Schneider: Nein, weil ich körperbezogenes Objekt als Erweiterung vom Schmuckbegriff begreife. Also in meiner Assoziationsschleife sage ich mal. Oder wie ich dazu denke. Und wie du ja auch gerade meintest auch sagen würde, ok, es gibt einfach Objekte, die können sich mehr auf Räumlichkeiten beziehen. Und es gibt aber auch Objekte, die können sich eher auf Körper beziehen. Und ich sage mehr und eher, weil es für mich, eventuell anders als bei vielen anderen Schmuckis, dass ich nicht sagen würde, der Körper ist der Ausgangspunkt meiner Praxis oder der Schmuck muss zum Körper irgendwie passen oder so. Ich glaube wir beide haben da auch schon mal drüber gesprochen. Weil ich mich immer Frage, wir können die Frage auch auf Schmuck anwenden, wo endet denn der Körper? Oder was macht denn den Körper aus? Und der Körper ist ja nicht einfach singulär vor sich hin, sondern auch ganz wesentlich geprägt von gesellschaftlichen oder räumlichen Bedingungen oder wie er sich verhält, wenn er irgendwie durch Architekturen sich bewegt und so weiter und so fort. Deswegen kann ich den Körper nicht losgelöst von dem betrachten, was genauso auch den Raum prägt. Aber trotzdem finde ich diesen Begriff körperbezogenes Objekt krass wichtig, um dem Schmuck eine erweiterte Dimension zu geben. Vor allem in dem, wie Schmuck verstanden werden kann und was das Verständnis von Schmuck prägt. War das halbwegs klar?

00:18:32

Cathleen Kämpfe: Ja super gut gesagt. Schön, dass du es mit dem Loslösen von dem Körper nochmal sagst, weil ich glaube, dass für unsere Zuhörenden auch deutlicher wird, das ganz viele Schmuckis auch unterschiedliche Antworten darauf geben würden. Ich kann mir vorstellen, dass zum Beispiel Sarah Schuschkleb aus unserer letzten Folge, die ja sehr sehr stark mit Haptik arbeitet, darauf auch nochmal eine andere Antwort geben. Ich glaube, dass ist jetzt wirklich nicht festgesetzt. Es gibt nicht ein festes Standartwerk wo alle Begriffe für immer festgeschrieben und definiert sind. Sondern es ist wirklich eine Auslegungsfrage.

00:20:12

A.S.Ruth Schneider: Ja voll. Diese Auslegung findet nicht einfach in dem, was denken wir jetzt darüber statt. Sondern explizit in unserer künstlerischen Forschungspraxis. Und ich glaube, das ist so der wichtige Punkt, dass das nicht irgendwas ist, wo wir denken: ahja, so und so. Sondern dass das etwas ist, was in einem Prozess passiert, der sich dann über Schmuck und oder körperbezogenes Objekt formt und artikuliert.

00:20:41

A.S.Ruth Schneider: Und jetzt sind wir eigentlich schon so ein bisschen dort, wo wir uns vielleicht auch nochmal fragen können, was Schmuck für uns jeweils ist.

00:21:33

Cathleen Kämpfe: Ja, das dockt ja auch so ein bisschen an die allererste Teaserfolge an.

00:21:42

A.S.Ruth Schneider: Ja voll. Also also glaube Schmuck hat für mich unterschiedliche Ebenen. Und wenn ich jetzt über Schmuck spreche, spreche ich auch von körperbezogenen Objekten. Aber für die Einfachheit minimiere ich das mal auf Schmuck. Schmuck sind für mich natürlich Sachen, die ich selber mache, Sachen, die ich trage, Sachen die ich gerne betrachte, Sachen, die ich gerne berühre. Sachen, von denen ich gerne, sehr gerne tatsächlich, berührt werde. Sachen, und das ist glaube ich ein nächster und ganz wesentlicher Punkt, dass es eben eine Art und Weise des Denkens für mich ist. Schmuck. Und damit meine ich glaube ich, um das so ein bisschen zu greifen, nicht nur wie ich mich irgendwie in eine Beziehung oder in ein Verhältnis zu den Dingen, die mich umgeben setze. Sondern auch darüber denke oder dahingehend denke, welche Beziehung ich zu denen führe oder die zu mir führen. Das jetzt nicht nur auf mich selber als Individuum bezogen, sondern natürlich auch gesellschaftlich. Weil ich mich selber auch immer als vergesellschaftet mitdenke.

00:21:46

Cathleen Kämpfe: Das fand ich sehr komplex. Vielleicht kannst du es nochmal ein bisschen aufdröseln? Das würde mich total freuen.

A.S.Ruth Schneider: Ok, ja voll.

Cathleen Kämpfe: Also Schmuck ist für dich eine Art zu Denken?

A.S.Ruth Schneider: Genau.

Cathleen Kämpfe: Das finde ich total spannend, was gibt es für dich denn sonst noch für Arten zu Denken? Also in Abgrenzung zu was?

00:23:03

A.S.Ruth Schneider: In Abgrenzung zu was … Das kann ich glaube ich gar nicht so genau sagen. Sondern ich glaube, da geht es für mich darum auszudrücken, dass Schmuck nicht nur eine Praxis ist. Also nicht nur etwas ist, was man macht. Und etwas ist, mit dem man sich umgibt. Sondern auch etwas ist, was in Personen oder Menschen stattfindet.

Cathleen Kämpfe: Ja.

00:23:14

A.S.Ruth Schneider: Man könnte vielleicht auch sagen, dass zu Fühlen. Also dass es, und da kommen wir dann auch schon zum Punkt, dass es mit Emotionen verbunden ist. Es ist vielleicht mit Erinnerung verbunden, mit Uneindeutigkeiten, mit Mehrdimensionalität, die sich in einer ausgedrückten Praxis vielleicht gar nicht so konkret fassen lässt.

00:23:40

Cathleen Kämpfe: Du fasst es dann ja auch in deiner Arbeit gerne über Gespräche zum Beispiel. Richtig?

00:24:04

A.S.Ruth Schneider: Ja genau. Oder auch darüber, nicht unbedingt klassische Schmuckformen zu verwenden. Also ich hatte jetzt mal eine Projektion gemacht, mit einem Freund zusammen, Karsten Spindler. Das ist natürlich gar nichts, was man sich konkret an den Körper anstecken kann, sondern es umwebt vielmehr den Körper.

Cathleen Kämpfe: Und lädt ja auch absolut zur Interaktion ein. Ich bin ja ein großer Fan.

A.S.Ruth Schneider: Und zum Selfies machen.

Cathleen Kämpfe: Und zum Selfies machen. Es ist für alles geeignet. Es spricht auch das jüngere Publikum an, können wir ja einfach mal so sagen.

00:24:08

A.S.Ruth Schneider: Ist tatsächlich so. Junges Publikum versteht das auch. Also, soweit man das überhaupt verstehen kann… Kann da viel besser in diese Installation reingehen als Menschen ab/in unserem Alter, weil das für jüngere Menschen einfach viel mehr spielerischen Charakter an. Und Menschen in unserem Alter … Also ich habe das jetzt letztens mal beobachtet, standen so davor wie vor so nem Gemälde in nem Museum, so mit fünf Meter Sicherheitsabstand.

00:24:49

Cathleen Kämpfe: (lacht) Da haben sie aber nicht den Begleittext gelesen. Wie sich das gehört in einem Museum.

00:25:17

A.S.Ruth Schneider: (lacht) Den gab es da leider nicht an dem Ort. Also Schmuck ist sozusagen etwas, was ich mache, aber was auch in mir stattfindet. Und das umfasse ich mit dem Begriff Denken. Aber ich kann mir auch voll gut vorstellen, dass das ist wie mit dem: Welche Rolle spielt der Körper? – dass das eben auch total unterschiedlich ist. Von Person zu Person. Und es ist auch ein bisschen so, dass ich eine Zeit lang dachte, dass ich nur Schmuck tragen möchte, dem ich so einen bestimmten Bedeutungsinhalt beimessen kann oder der irgendwie einen künstlerischen Gedanken hat. Das ist tatsächlich nicht mehr so. Also mittlerweile bin ich auch so … Also ich trage auch Schmuck, beziehungsweise ich habe zwei Schmuckstücke, die ich jeden Tag trage auch nicht ablege …. Also die lege ich zum Schlafen ab, aber das war es dann auch. Die haben jetzt keinen besonderen Inhalt. Ich finde die einfach nice. Oder sie gehören einfach total zu mir oder ich kann nicht ohne sie, das ist vielleicht auch ein total krasses Abhängigkeitsverhältnis. Ich weiß nicht genau. Also da habe ich bei mit tatsächlich so einen Prozess beobachtet, dass es für mich gar nicht mehr so eine Relevanz hat, ob jetzt was in dem Schmuck inne liegen muss. Es ist auch einfach ok, wenn er einfach nice ist, ganz klassisch Schmuck ist. Wie ist denn das für dich?

00:25:23

Cathleen Kämpfe: Ich fange vielleicht direkt beim Schmuck Tragen an. Bei mir hat sich das auch öfter gedreht. Tatsächlich habe ich schon in der fünften Klasse beschlossen Goldschmiedin werden zu wollen. Und als ich das Kund tat, fingen auf einmal Verwandte an, also natürlich so fernere Verwandte, mir Schmuck zu schenken, weil sie davon ausgegangen sind, ich möchte Goldschmiedin werden, weil ich Schmuck ganz toll finde. Was aber ein Trugschluss wahr. Ich habe ja beschlossen, dass ich das machen möchte, als ich in der Werkstatt der Burg Giebichenstein zur Offen Tür stand. Und ich habe die großen Werkzeuge gesehen und dachte mir: Damit so kleinen Kram machen, so kleinen Fusselkram, den ich eh gerne fuddele – super! Das möchte ich machen! Also tatsächlich war ja eine erste Anziehung an das Machen des Schmuckes direkt gebunden. Was glaube ich echt so eine Prägung ist, die sich krasser durchzieht, als ich es eigentlich gerne wahrhaben wollen würde.

00:26:45

A.S.Ruth Schneider: Spannend. Was liegt für dich in dem Machen? Oder was hast du damals damit assoziiert? Gibt es da etwas?

00:27:41

Cathleen Kämpfe: Das war für mich so ein Teil von einem ganzheitlichen Traum. Also ich wollte gerne in Italien über Pflastersteine, mit so einem … Das wusste ich schon immer … mit meinem schicken Fahrrad mit ein Blumen vorne drinne zu so einem ganz alten Laden und da dann so richtig coole, alte Werkzeuge und benachbart zu irgendwelchen Stuckmenschen arbeiten. Und Dinge machen, die halt einfach schön sind. Und ich wollte, glaube ich, auch einfach gerne alleine an meiner Werkbank arbeiten und in ganz kleinen Dingen meinen Kosmos bauen. Das finde ich gut. Also ich wollte sozusagen… Also ich habe jetzt nicht angefangen irgendwelche Gebäude nach zu bauen, jetzt nicht in dem Sinne. Sondern ich wollte irgendwie Formen finden, von denen ich finde, ich stecke in diesen Formen. Das ist meine Ausdrucksmöglichkeit. Die haben sich jetzt aber nicht großartig unterschieden zu sämtlichen Modeschmuck, den es eigentlich gab. Aber meine Idee davon war so da und das war meine Art mir meinen Kosmos aufbauen zu können. Und der Kleinkram, also mit mini kleinen Sachen rum basteln, das fand ich sowieso bombe. Dann hat sich das, wie gesagt, ergeben, dass das falsch verstanden wurde. Aber ich habe auch nicht drüber geredet, also wie könnten Menschen das wissen, dass ich einfach wahnsinnig gerne Schmuck mag. Und daraufhin wurde mir einfach sehr viel Schmuck von Esprit, etc geschenkt. So Edelstahlkettchen und so Silberherzen mit kleinen Steinchen, was mich total überfordert hat.

00:27:49

A.S.Ruth Schneider: (lacht)

00:29:12

Cathleen Kämpfe: (lacht) Diese Schlangenketten, die sich immer so in die Haare reinzwirbeln und die ganzen Haare rausreißen.

00:29:14

A.S.Ruth Schneider: (lacht)

00:29:21

Cathleen Kämpfe: Ich konnte halt nicht formulieren, was ich wollte, weißt du? Ich konnte nicht formulieren: Ich möchte es werden weil…. Das fehlte mir noch. Das konnte ich nicht nicht artikulieren (lacht). Das ging ja auch, wie du dir vorstellen kannst, einige Jahre. Weil in der fünften Klasse war ich natürlich so zehn Jahre alt. Und bis ich meine Ausbildung mit 18 angefangen habe, ging das natürlich so weiter.

00:29:24

A.S.Ruth Schneider: Natürlich. Und Schmuckgeschenke sind ja auch so konnotiert, dass sie etwas Besonderes sind und dass sie von Herzen kommen und Tamtam und aufgeladen, dies das. Wir werden da noch in einer anderen Folge drüber sprechen, über Schmuck in populäre Kulturen. Aber ja … Voll, also, ich fühle es total. Und natürlich ist es total schwer zu sagen in einer Schachtel mit einem Herzchenanhänger und nem Steinchen: Sorry, I don‘t like it.

00:29:41

Cathleen Kämpfe: Ja genau. Ich habe sie dann immer in meine Vitrine gestellt. Da waren auch meine Tanzabzeichen drin (lacht). Auch in Gold (lacht). Viele schöne Dinge haben sich damals dort gestapelt.

00:30:08

A.S.Ruth Schneider: Fandest du sie auch schön?

00:30:23

Cathleen Kämpfe: Nein, ich fand sie ganz schrecklich. Ich wusste auch gar nicht wie ich die loswerden sollte. Ich habe auch ganz lange da noch gelassen, als ich schon ausgezogen bin, weil ich wirklich damit überfordert war.

00:30:24

A.S.Ruth Schneider: Schöne Dinge gehören in die Vitrine. Auch wenn sie nicht schön sind.

00:30:32

Cathleen Kämpfe: Genau, das wäre ja eine Frage der Geste und der Wertschätzung. Ich habe das ja gesehen und deswegen konnte ich vor lauter Schreck nichts sagen. Weil ich die Geste natürlich erkannt habe, so ist es ja nicht. Ich möchte nicht undankbar wirken. Es war nur an meiner Vorstellung von Schmuck vorbei. Das heißt ich habe mir dann selbst, als ich beschlossen habe: Ich möchte jetzt Schmuck machen, ich habe tatsächlich keine 100 Ohrringe gebastelt. Ich habe Goldschmiedekurse besucht und Praktika gemacht im Goldschmieden. Weil das für mich mit dem Goldschmieden schon so klar war. Deswegen habe ich weniger gebastelt, sondern habe mich neben anderen 40, 50 jährigen Frauen in Goldschmiedekurse gesetzt, die dann vierzehntägig Sonntags stattfanden. Dort fing ich an Silberringe zu bauen, etc. Bin dann immer nach Halle gependelt in meinen Ferien zu Margit Jakob in die Goldschmiede, ins Atelier. Was super nett war. Die total bestärkend war. Ich merke das auch auch immer erst so im Rückblick wie großartig manche Menschen sind. Und Margit Jakob war total stark auf Aspekte aus wie: Selbstständigkeit von Frauen, dass es wichtig ist einen kulturellen Beitrag zu leisten auch wenn es finanziell weniger wertgeschätzt wird, den eigenen künstlerischen Ausdruck zu wahren, komme was wolle. Also es war wirklich mit einem Understatement, mit einer Bereitschaft andere Handwerker*innen zu unterstützen. Wenn etwas verdient wurde, wurde das gerne mit den Nachbar*innen investiert. Das war ein Austausch und eine Herzlichkeit in dem Ort … Also ich kannte die ganze Welt nicht, wie die Kunsthandwerker*innenwelt funktioniert. Und das war wirklich fantastisch. Und ich weiß noch, das ich damals gefragt habe, ungefähr in der 8. Klasse: Sind das eigentlich so Kolleg*innen oder sind das so Konkurent*innen? Und da meinte sie: „Das ist ja eine Frage. Für mich sind das hier alles Kolleg*innen.“ Und das fand ich echt fantastisch. Denn in der 8. Klasse kam ich nie auf die Idee, dass so eine Welt so funktionieren würde und dass das eine Frage der eigenen Sicht ist. Und da hat sich ein Wahnsinns Kosmos in der Mittelstraße aufgebaut, den ich wirklich total warm in Erinnerung habe. Und ich glaube ganz viele andere Menschen auch. Also Margit Jakob war für mich ein großer Einfluss und tatsächlich habe ich, wie gesagt, wirklich einfach angefangen zu Goldschmieden und Silberschmuck zu bauen. Dementsprechend konnte ich dann bei der Ausbildungsstelle schon Sachen vorzeigen, die ich gemacht habe. Was natürlich ganz praktisch ist um eine Ausbildung zu beginnen, da mir nicht alles fremd war. Und dann dachte ich mir, ich baue jetzt selber die Sachen, die ich tragen möchte. Und habe angefangen Klassiker aus dem Goldschmiedebereich nachzubauen. Die besitze ich teilweise auch noch. Also nicht so Klassiker. Ich habe zum Beispiel einen Wickelring gebaut, der so dreifach gewickelt ist. Einfach um ein paar Sachen auszuprobieren. Aber ich habe vor allem ganz viel Schmuck für andere gebaut und immer weniger selber getragen. Weil ich jeden Tag von Schmuck umgeben war. Und ich irgendwann an dem Punkt war, an dem ich gar kein Schmuck mehr getragen habe Ich besitze auch nach wie vor erstaunlich wenig Schmuckstücke finde ich, dafür dass ich schon so lange Schmuck mache.

00:30:36

A.S.Ruth Schneider: Ich auch.

00:33:37

Cathleen Kämpfe: Ich habe auch ganz viele alte Silbersachen eingeschmolzen. Also ich besitze wirklich super wenig.

00:33:38

A.S.Ruth Schneider: Aber ich würde gerne ganz viele Sachen besitzen.

00:33.43

Cathleen Kämpfe: Ja mittlerweile schon, aber halt nur Sachen, die mir jetzt gerade gefallen. Das ist ja auch immer schwierig.

00:33:45

A.S.Ruth Schneider: Nöö. Also ich wäre gerne Neureich und Sammlerin.

00:33:50

Cathleen Kämpfe: Ohhh. Ja, ich hätte sofort eine Idee. Ja ich würde auch… Das ist ein sehr guter Plan. Finde ich auch. Und jetzt bin ich wieder an dem Punkt an dem ich versuche: oh nein, bloß kein unechter Modeschmuck, wer weiß wo die Sachen herkommen – auch zu lösen. Ich war in meiner Jugend natürlich auch gerne bei Bijou Brigitte und habe dort nach Formen und Farben gesucht, die meine Persönlichkeit widerspiegeln. Habe mir selten erlaubt etwas zu holen. Und wenn ich mir etwas geholt habe, weiß ich noch genau wie die Stücke aussahen. Was für ein wertvoller Ort finde ich. Also für mich zu Teenie Zeiten, neben H&M, was ja Sarah auch schon mal erzählt hatte, war auf jeden Fall Bijou Brigitte ein Anlaufpunkt.

00:33:52

A.S.Ruth Schneider: Ja. Wie war es dort drinnen, in dem Laden, für dich?

00:34:31

Cathleen Kämpfe: (lacht)

00:33:34

A.S.Ruth Schneider: Erzähl mir mehr davon.

00:33:36

Cathleen Kämpfe: Ich finde, dass es ein großes Sammelsorium war und dafür erstaunlich gut sortiert. Es gab die Echtschmuckecke, wo ich mich immer fast nicht hingetraut habe. Dann gab es die wahnsinnig vielen Ketten. Eine Zeitlang waren ja auch so Statement Ketten angesagt, die mir viel zu knallig waren. Das habe ich mich niemals getraut. Jetzt wünsche ich mir sehr so eine schöne Statement Kette wenn ich ehrlich bin. Es war schön, es war zeitlich begrenzt, es war finanziell derart begrenzt, dass ich super oft drin war und natürlich nie was geholt habe.

00:33:38

A.S.Ruth Schneider: Aber deswegen war der Laden ja da, um reinzugehen.

00:35:01

Cathleen Kämpfe: Ja genau. Wahnsinnig hell beleuchtet.

00:35:07

A.S.Ruth Schneider: Wahnsinnig hell beleuchtet. Ja. Aber das ist ja der Laden, der die Vorstellung anregt. Wie du mit den Dingen bist.

00:35:08

Cathleen Kämpfe: Und ich finde, das haben die ganz toll gemacht. Auch so ein bisschen thematisch sortiert. Was so ein bisschen Bohemien aussehen soll, was so ein bisschen nach//politisch scharfe Kanten aussehen soll, was so ein bisschen edgy ist. Die haben das ja sehr thematisch sortiert und ich konnte mich da absolut rein fühlen. Ich vermisse es.

00:35:16

A.S.Ruth Schneider: OMG, ja ich auch. Wie oft war ich im Bijou Brigitte. Ich glaube ich war das letzte Mal vor einem halben Jahr oder so in einem. Ich habe diesen Flair leider nicht mehr so gespürt wie damals. Aber natürlich auch, weil ich nicht mehr so unwissend, sag ich jetzt mal, auf Herstellungskontexte blicken kann. Aber die finden sich ja auch im künstlerischen Schmuck oder im zeitgenössischen Schmuck wieder. Aber davon mal abgesehen, der Laden war der Hit! Wie oft bin ich da nach der Schule hingegangen und stöberte da durch die Gegend. Ich habe Stunden meines Lebens da drin verbracht. Das war pure Emanzipation.

00:25:34

Cathleen Kämpfe: Hm. Das war auch ne wahnsinnige Coolness. Also ich kenne auch Klassenkameradinnen die sich dann dort haben Ohrrlöcher stechen lassen. Wie cool.

00:36:14

A.S.Ruth Schneider: Oh, ja. Mega!

00:36:24

Cathleen Kämpfe: (lacht)

00:36:25

A.S.Ruth Schneider: Reine Atmo!

00:36:26

Cathleen Kämpfe: Genau. Und ich würde sagen, nach wie vor, aufgrund der Herstellungsprozesse, etc, was in dem Material letztendlich steckt, versuche ich jetzt Dinge zu bauen, von denen ich weiß: entweder kommt das Material aus entsprechenden Quellen, die halbwegs nachvollziehbar sind und auf irgendeine Art und Weise gerechtfertigter mir erscheinen, um es mal relativ zu sehen. Ich versuche eigentlich mehr aus meiner Umgebung auszuschöpfen.

00:36:28

A.S.Ruth Schneider: Voll. Ja cool. Ich dachte gerade, was ich total spannend finde: Dadurch dass wir beide so Bijou Brigitte Gängerinnen waren. Was ist eigentlich passiert, das wir dort nicht geblieben sind in unserem Verständnis von Schmuck? Also wir haben das ja jetzt schon ein paar Mal nachgezeichnet und wir wissen das ja auch. Aber ich dachte mir gerade, ist ja abgefahren, weil wir sind auf jeden Fall nicht die einzigen in unserer Generation, die gefühlt einen großen Teil ihrer Jugend im Bijou Brigitte verbracht haben. Das ist ja irgendwie total krass. Und gerade dadurch dass das ein Raum war, der uns so mitgezogen hat und uns so verzaubert hat und in den reinsten Warenbann gezogen hat. Das unsere Gedanken zu Schmuck auch darüber hinaus Räume fanden angeregt zu werden oder die zu entwickeln. Also das soll jetzt gar nicht judgend klingen gegenüber Menschen, die natürlich auch andere Lebensentwürfe haben. Das hat ja auch was damit zu tun. Aber ich dachte mir gerade, warum machen wir jetzt eigentlich nicht Schmuck, der so aussieht wie von Bijou Brigitte? Und das was da alles hängt ist ja auch die reinste Veräußerung von gesellschaftlicher Geschmacksbildung.

00:36:58

Cathleen Kämpfe: Ja, na klar. Aber es ist natürlich auch wahnsinnig preiswert. Das lässt sich natürlich in eigener Produktion überhaupt nicht so nachbauen oder eine Art Konkurenz dazu aufbauen. Also wenn ich anfangen möchte Schmuck selber zu bauen, da gab es bei uns damals noch die Möglichkeit von Perlentaucher. Das waren so Läden die damals so auftauchten. Da war es möglich mit verschiedenen Perlen im Angebot die eigenen …

00:38:17

A.S.Ruth Schneider: Ja, da war ich auch sehr viel.

00:38:39

Cathleen Kämpfe: Da war ich aber auch nur zwei Mal. Das ist ein bisschen wie dieses Gänseblümchenpflücken. Ich weiß genau was du meinst. Ganz viele Freund*innen von mir waren auch da und mir wurden ganz viele Sachen daraus auch gebastelt und geschenkt.

00:38:40

A.S.Ruth Schneider: Ok. Und mochtest du die Sachen diesmal wenigstens dann? Oder war das auch so, hm, ne, eigentlich weniger?

00:38:54

Cathleen Kämpfe: So die Farben und die Formen entsprachen schon ein bisschen mehr dem, wie ich mich dann jeweils auch gesehen habe. Aber allein die Ohrbügel waren ja schon aus dieser Serienproduktion, die dann irgendwie auf diesen Tisch kam. Und es war wahnsinnig schwer, weil die schönen Perlen meistens die schweren Glasperlen waren oder so. Ich konnte aus dem Laden auch nicht so viel schöpfen. Da war zu viel fertig. Ich glaube ich baue ja auch jetzt eher erst mal ganz viele Gedanken auf, wie ich Sachen machen kann. Dann entwickele ich Handlungsabläufe, die ich mir vorstelle und daraus entwickele ich dann sozusagen … Also ich baue ja so sehr von Grund auf meine Schmuckstücke auf, dass vorgegebene Perlen mich einfach überhaupt nicht glücklich machen konnten.

00:39:58

A.S.Ruth Schneider: Würdest du eigentlich auch sagen, das für dich eine bestimmte Ebene von Schmuckdenken eine Rolle spielt, indem was Schmuck für dich ist?

00:39:39

Cathleen Kämpfe: Auf jeden Fall. Aber ich mache es mir einfach weniger bewusst als du.

00:39:48

A.S.Ruth Schneider: Ahja, aber das ist ja total gut. Also ich finde das auch total spannend, wenn das so indirekt mitschwingt.

00:39:50

Cathleen Kämpfe: Ja, bei mir ist es immer ... Bei mir schwingt es tatsächlich indirekt mit.

00:39:58

A.S.Ruth Schneider: Bei mir ist das total wesentlicher Kern von Alltagsauseinandersetzung. Aber finde ich gerade so gut, da ich finde, dass sich Schmuck durch eine Beiläufigkeit im Alltag auszeichnet. Oder bei Menschen, die jetzt nicht unbedingt Schmuck machen, ich sage mal eine unabdingbare Präsenz im Alltag und im Leben hat, ohne, dass es unbedingt einen sprachlichen Ausdruck oder eine Erklärung findet. Das finde ich irgendwie auch total scharf, dass das einfach so klar und deutlich unausgesprochen bleibt. Und alle sind d‘accord damit.

00:40:01

Cathleen Kämpfe: Ja. Super oder?

00:40:39

A.S.Ruth Schneider: Ja.

00:40:42

A.S.Ruth Schneider: Ich wurde übrigens auch schon manchmal gefragt: Wann ist Schmuck eigentlich kein Schmuck mehr? Kennst du die Frage?

00:41:02

Cathleen Kämpfe: Ja, aber eigentlich nur in Hochschulkontexten. Außerhalb davon sind das eher so allgemeine, ratlose Fragen in den Raum hinein, wie: Ist das noch Kunst oder nicht? Oder: Ist das jetzt noch Schmuck oder nicht? Bei mir blubberte die Frage eher so weg. So richtig konkret behandelt kenne ich sie eigentlich nicht. Wie geht es dir damit?

00:41:09

A.S.Ruth Schneider: Ich wurde die Frage ein paar Mal gefragt. Auch außerhalb von Hochschulräumen und da auch tatsächlich manchmal sehr ernst. Aber ich kenne sie natürlich auch in den Hochschulräumen. Ich glaube ich kann dazu einfach immer nur sagen: Ja keine Ahnung. Kein Plan. Vor allem weil es für mich keine Relevanz hat. Weil Schmuck für mich nicht endet. Beziehungsweise endet er wenn überhaupt dort wo er begrenzt wird. Also in seiner Erzählung, in seiner Narration oder in dem was Schmuck gesellschaftlich formt. Aber grundsätzlich endet Schmuck wenn überhaupt dort, ich spreche jetzt mal von einem wir, also einem kollektiven wir, wer auch immer jetzt alles dieses wir ist… Aber Schmuck endet wenn überhaupt dort wo wir ihn begrenzen und enden lassen. Gleichzeitig ist es aber so, das ich Schmuck gerade dort, wo er über seine auferlegten Dimensionen hinausgeht total spannend finde. Und ich denke: Ja genau da fängt so ein Spannungsverhältnis an, was mich total anmacht und total reizt und wo ich dann so bin: Ah, hmmm, ich möchte gerne mehr davon. Und es total scharf finde, gerade wenn es in so einem Beginn ist, sich zu Lösen aus seinen Einschreibungen.

00:41:32

Cathleen Kämpfe: Hast du vielleicht ein Beispiel?

00:42:59

A.S.Ruth Schneider: Ja, zum Beispiel tatsächlich deine großen Objekte, die du mal gemacht hast. Da kann ich mir vorstellen, dass sich Leute denken: Ah, dadurch dass es am Körper ist, könnte es noch Schmuck sein. Also ich rede jetzt nicht von Leuten wie du und ich, sondern von Leuten die irgendwie kommen und das betrachten und interessiert sind. Und wo dann aber so die Zuordnung dessen von: Ist das jetzt Schmuck nur weil es dieses Angebot macht sich um den Körper zu binden? Es ist doch eigentlich viel zu groß für Schmuck. Das ist ja total körperwiderständig, ich kann damit nicht in den Rewe gehen. Und ich glaube zum Beispiel da geschieht so ein Spannungsverhältnis. Ein Ende von Schmuck ist vielleicht auch, je nachdem in welchen Sparten wir das betrachten, unterschiedlich. Vielleicht ist Malerei tatsächlich einfach kein Schmuck mehr, weil es ein anderes Medium ist. Aber ich glaube das wäre so ein Beispiel. Aber ganz grundsätzlich hat die Frage für mich persönlich keine Relevanz. Bis auf das ich so merke, da wo Schmuck anfängt sich eben aus diesen Normen zu lösen, dadurch wie er gemacht oder gedacht wurde, das kann auch anhand von Materialien oder auch Intention geschehen, dort fängt er an für mich eine besondere Spannung zu bekommen. Also jetzt explizit in einem künstlerischen Bereich. Ich rede jetzt nicht von so Mode- oder Juwelenschmuck.

00:43:02

Cathleen Kämpfe: Das ist ja eh das spannende in einer Forschung zu schauen, in welche Richtung kann das alles noch so ausschlagen. Deswegen gibt es ja auch so wahnsinnig viele Schmuckkünstler*innen, die in alle möglichen Richtungen forschen, weil einfach so viel in Schmuck stecken kann.

00:44:32

A.S.Ruth Schneider: Mega. Da kommen wir eigentlich auch schon zu dem Punkt, was kann eigentlich alles in Schmuck stecken. Es wird ja auch oft gesagt: Schmuck ist Kommunikation. Was denkst du darüber?

00:44:46

Cathleen Kämpfe: Das ist auch wieder so ein Ausdruck, der mir erst zu Hochschulzeiten über den Weg lief, dass Schmuck kommuniziert. Meiner wirklich erster Gedanke darauf war: Aber der redet ja aber gar nicht. (lacht)

00:45:00

A.S.Ruth Schneider: Ich liebs!

00:45:15

Cathleen Kämpfe: Hatte ich jetzt aber nicht vor. (lacht). Meint natürlich, dass Schmuck über seine Symbole, Formen und seine Arten des Getragen Werdens Botschaften aussendet. Also Assoziationen bei anderen Menschen weckt, vielleicht sogar zur Interaktion aufrufen kann. Aber eigentlich ja eher selten. Eher zu einer Art Kategorisierung sogar führen kann à la: Ich fühle mich zu dieser Gruppe zugehörig oder eben nicht. Also ich trage meinen Ehering, das ist jetzt so ein ganz klassisches Beispiel. Der kommuniziert…

00:45:19

A.S.Ruth Schneider: Ehe.

00:45:55

Cathleen Kämpfe: Ehe. Immerhin, bei mir kommuniziert er eher: Oh, krasser breiter Ring. Leute kommen gar nicht so richtig drauf, das es ein Ehering ist. Menschen schauen gar nicht, auf welchem Finger der ist.

00:45:58

A.S.Ruth Schneider: Da sprengt er schon wieder die Norm. Aber nur ein bisschen. Die Eheringnorm.

00:46:04

Cathleen Kämpfe: Die Eheringnorm. Genau. Das ist so ein ganz klassisches Beispiel. Ich habe aber zum Beispiel auch eine Brosche von meiner Oma. Das ist eine Messingbrosche, gestanztes und geprägtes Messing. Sehr sehr schön, Ende 70er würde ich sagen. Mit einem synthetischen aquamarinfarbenden ovalen Stein drauf gesetzt. Und Menschen denken tatsächlich ganz oft, dass ich das selbst gemacht habe. Was ich abgefahren finde. Und die denken auch immer, dass es Gold ist. Also wenn Dinge an mir sind, mutmaßen Menschen immer, aus dem Wissen heraus, dass ich Goldschmiedin bin, das es Gold ist. Das kommuniziert dann auch immer etwas ganz anderes als das, was meine eigentlich Intention ist. Nämlich dass ich ein Stück meiner Oma trage. Auch abgefahren, wie sehr sich? die Kommunikation auch fehlleiten kann, an manchen Stellen. Also was meine Idee ist. Ich finde Schmuck ist so selbstständig, das er ja auch wirklich theoretisch ohne mich funktioniert. Also meine Schmuckstücke funktionieren auch ohne meinen Körper und machen ihr ganz eigenes Ding und kommunizieren ganz alleine die verrücktesten Sachen. Und wenn sie an mir dran sind, dann bin ich einfach der andere Kontext, in dem sie dann sind. Das verstehe ich so unter dem Kommunizieren von Schmuck.

00:46:08

A.S.Ruth Schneider: Genau. Und ich glaube, das ist ein total interessanter Punkt, den du da aufmachst. Weil er so deutlich macht, dass Schmuck wie etliche Dinge, definitiv nicht nur Schmuck, eingebettet sind in gesellschaftliche und kulturelle Praxen. Und dabei dann aber plötzlich an Körpern individualisiert erscheinen oder gedacht werden. Was total spannend ist. Was ja auch ein ganz gängiges Phänomen ist. Aber ich immer so den Eindruck habe, dass Schmuck per se individuell gedacht wird, weil er eben an einzelne Körper angesteckt wird. Aber wie du gerade sagst, die Brosche geht überall und spricht überall ohne zu sprechen. Und ich finde das macht diese Vergesellschaftung, die das Kommunikative von Schmuck ja mit prägt, also es ist eigentlich so ein gegenseitiges Changieren, total hot und spannend.

00:47:20

Cathleen Kämpfe: Das stimmt! Ich finde es auch schön, dass du nochmal gesagt hast, dass es immer zum Individuum beiträgt. Ist es dir mal passiert, dass du Schmuck getragen hast, den gleichzeitig auch eine andere Person getragen hat?

00:48:25

A.S.Ruth Schneider: Ne, ich erinnere mich nicht daran. Aber ich glaube das liegt auch daran, dass ich so viele Ohrringe getragen habe und zur Auswahl hatte, das es mir wahrscheinlich nicht aufgefallen ist, wenn eine Person an einem Tag mal etwas getragen hat, was ich fünf Tage vorher getragen habe. Oder vielleicht auch, weil das so ein Sharing Ding ist. Also das können wir alle haben! Was ja auch ein wichtiger und wesentlicher Aspekt ist im Mode- oder Juwelenschmuck geht so, können wir alle haben – ich glaube nicht. Aber das insbesondere Modeschmuck so niedrigschwellig ist, weil er Formen und synthetische Steinen einfach einer breiten Masse zugänglich macht. Und das damit halt Formen, die lange Zeit Adelshäusern, Königshäusern und so weiter vorenthalten waren, plötzlich ganze Gesellschaften tragen können. Weil sie bei Bijou Brigitte sind für fünf Euro. Also mir ist auch klar, dass fünf Euro für manche Leute viel Geld sein können. Aber es ist was anderes als 500.000 Euro für ein ähnliches Collier. Und das ist ziemlich geil.

00:48:34

Cathleen Kämpfe: Ja. Auf jeden Fall. Mir fällt gerade ein, dass ja auch Modeschmuck in historischen Kontexten total spannend ist. Also alter Modeschmuck und die Art der Verarbeitung und was für Materialien dereinst üblicher waren. Ich finde es ein extrem spannendes Feld.

00:49:45

A.S.Ruth Schneider: Ja, da können wir vielleicht auch nochmal drüber sprechen. Also ich glaube, als Schmuck einer breiten Masse zugänglich gemacht wurde war als der Eisenguss, Eisenkunstguss anfing. Also einfach durch Vervielfältigungs- und Reproduktionspraktiken. Ganz simpel. Also natürlich auch immer durch technische Entwicklungen und so weiter. Also ich habe einen Gedanken. Wir werden ja sehr bald nochmal eine Folge miteinander aufnehmen. Und vor allem möchten wir mit euch darüber sprechen, wir dieses wir, und euch einbinden in der Fragestellung was ein Schmucki ist. Wir werden uns dazu was nices überlegen und da kommt was nices. Vielleicht beenden wir das jetzt einfach hier allmählich. Und bald geht es auch nach München zur Munich Jewellery Week. Das wird großartig werden. Es wird ein kleines München Spezial geben. Wir werden es vermutlich nicht schaffen zehn Gespröche zu führen aber hoffentlich vier. Die knallen wir dann nacheinander aus.

00:50:04

Cathleen Kämpfe: Ich bin jetzt schon richtig aufgeregt.

00:51:06

A.S.Ruth Schneider: Ja ich auch. Es wird richtig gut werden. Also München: Größtes Schmuckevent ever. Ich glaube sogar international.

00:51:07

Cathleen Kämpfe: Das ist ein großes Schmucktreffen in München, eigentlich jährlich. Pandemie bedingt ist es halt ausgefallen, beziehungsweise digitalisiert wurden, beziehungsweise in Magazinform erschienen. Jetzt wurde es vom Februar in den Juli vertagt. Das heißt es werden sommerliche Tage in München, das finde ich ja auch richtig gut.

00:51:14

A.S.Ruth Schneider: Ja ich hoffe es wird nicht allzu hot werden, weil es schon so viel hottes zu sehen gibt.

00:51:32

Cathleen Kämpfe: Wow. (lacht)

00:51:38

A.S.Ruth Schneider: (lacht) Ich freue mich richtig drauf. Und vielleicht sehen wir uns dort. Wir hören voneinander, ihr hört uns. Wir freuen uns.

00:51:42

Cathleen Kämpfe: Vielen Dank für das Feedback, vielen Dank fürs Hören.

00:51:52

A.S.Ruth Schneider: Schreibt uns gerne.

00:51:54

Cathleen Kämpfe: Genau, es kommt alles an. Und wir tauschen uns darüber aus. Und wenn weitere Fragen sind, nehmen wir diese auch gerne in das nächste Gespräch zwischen uns beiden auf.

00:51:56

A.S.Ruth Schneider: Genau. Adieu!

00:52:04